Der Klassikerklärer

Sinfonien, Konzerte und Opern verstehen

Jodler aus Amerika

15.12.2024 17 min

Zusammenfassung & Show Notes

Zwei Noten, drei Noten, vier Noten: In kleinen Schritten die Moderne erkunden – mit Aaron Coplands schönem Klarinettenkonzert.

In dieser Folge geht es um folgendes Werk:
Aaron Copland
Konzert für Klarinette Streicher und Harfe

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Redaktion und Moderation: Dariusz Szymanski
Ausführende Produzentin: Verena von der Goltz
Aufnahme und Postproduktion: Robert Niemeyer
Voiceover: Paul Sies

Transkript

Der Klassikerklärer. Sinfonien, Konzerte und Opern verstehen. Ein RONDO-Podcast mit Dariusz Szymanski.
Dariusz Szymanski
00:01:22
Liebeskummer wurde überhaupt erst erfunden, damit man sich dann bei dieser Art von Musik beruhigen kann. So geht es mir jedenfalls. Das war der Beginn des sehr, sehr schönen Klarinettenkonzertes von Aaron Copland, eines amerikanischen Komponisten. Und das Stück möchte ich Ihnen heute so ein bisschen nahe bringen und da Ihnen so ein bisschen auch etwas über die klassische Moderne erzählen. Hier ist es die klassische amerikanische Moderne. Copland war ein amerikanischer Komponist. Er hat das für einen amerikanischen Klarinettisten, Benny Goodman, komponiert. Copland hatte nicht wirklich Liebeskummer, als er das Stück schrieb. Aber er hat es mal dann gesagt, zu dem ersten Satz, er war in der Zeit sehr melancholisch drauf, weil das waren so späte 40er Jahre, 48, 47, 48 ist das Stück komponiert worden, weil Copland fand sich immer so ein bisschen nicht dazugehörig in der amerikanischen Gesellschaft als Homosexueller auf der einen Seite und auf der anderen Seite als jüdischer Komponist. Er fühlte sich ein bisschen ausgegrenzt, ausgeschlossen und dieses Gefühl des Alleinseins, das hat er immer wieder versucht in Musik zu fassen, in Noten zu fassen und er sagt das nun ganz speziell auch in diesem Klarinettenkonzert, gerade in dem ersten Satz. Dieses Klarinettenkonzert hat überhaupt nur zwei Sätze. Der erste Satz ist ein melancholischer, schöner, langsamer Satz, den werde ich Ihnen vor allem vorstellen. Und dann gibt es noch so ein bisschen jazzy den letzten Satz, den zweiten Satz. Den können Sie sich dann alleine anhören, zu Hause. Und zwischen dem ersten und dem zweiten Satz gibt es noch eine Solo-Kadenz des Klarinettisten. und der erste Satz ist eine Art Lied ohne Worte. Am Anfang begleitet das Orchester die Klarinette und plötzlich begleitet dann die Klarinette ein bisschen das Orchester. Plötzlich spielen sie zu zweit. Es wird dann so ein bisschen zum Duett. Nun, wir hören das noch einmal an. Hier ist klar Melodie und Begleitung. Musik Und jetzt wird es zum Duett. Jetzt. Sogar ein Trio. Jetzt ein Duett. Dieses Ta-Da-Da-Da in der Klarinette sind stilisierte Jodler, weil die Klarinette ja aus Europa kommt und durchaus aus dem böhmisch-österreichischen Raum. Und zu der Klarinette gehören immer so ein bisschen auch Jodelmusik und das haben Sie ja auch ein bisschen gehört in diesem Ba-Ba-Ba-Bam. Bevor wir uns das Stück, also den ersten Satz ganz anhören, kommen wir uns das ein bisschen genauer an, wie ist das Stück eigentlich komponiert. Das ist jetzt nun moderne Musik und es ist ein Stück, das typisch für die klassische Moderne ist. Und Sie müssen, wenn Sie über die klassische Moderne nachdenken, vom Folgenden ausgehen. Es gibt ein berühmtes Gedicht von Stefan George, das hat auch Schönberg auskomponiert. Und dieses Gedicht heißt, ich fühle Luft vom anderen Planeten. Das heißt, sie sind auf einem anderen Planeten, sie kennen sich auf diesem Planeten nicht aus und alles ist ganz anders als in ihrem normalen Leben. Und mit diesem fremden Planeten kann man sich die Welt der Moderne vorstellen. Was ist denn der andere Planet in Wirklichkeit? Das ist auf der einen Seite die Entdeckung des Unterbewussten. Wir haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Freud die Entdeckung, es gibt noch eine andere Welt, nicht nur die sichtbare Welt, sondern die Welt des Unterbewusstseins. Das ist ein fremder Planet. Und dann haben sie aber auch in der Physik zum Beispiel so etwas wie Relativitätstheorie oder wie Quantenphysik, wo sie auch merken, die Welt, die wir hier sehen, der Planet, den wir hier sehen, das ist gar nicht die Wirklichkeit. Hinter dieser Wirklichkeit gibt es noch eine ganz andere Wirklichkeit, die wir kaum begreifen können. Und das ist eigentlich der andere Planet. Und auch die Künstler versuchten, diesen anderen Planeten, diesen modernen anderen Planeten zu erkunden. Unter anderem auch unser Aaron Copland. Wie erkundet man einen Planeten? Nun, man macht möglichst kleine Schritte. Denn Sie wissen ja gar nicht, ob der Boden hält. Also angenommen, wenn Sie jetzt drauf losstürmen, kann es sein, dass Sie gleich in irgendeinem Eis, das Sie gar nicht gemerkt haben, hineinbrechen. Also man macht nur ganz kleine Schritte von A nach B. Wenn man beim B angekommen ist, versucht man vom B zum C, von C zu D zu gehen. Ganz, ganz kleine Schritte. Und genau so ist das Stück aufgebaut. Wenn ich mir die Melodie angucke, beginnt diese Melodie mit einem ganz kleinen Schritt, einer sogenannten Sekunde. Eine Sekunde ist ta-da, ta-da. Also noch ein kleinerer Schritt wäre es, wenn ich einen Ton wiederholen würde. Da würde ich aber gar nicht losgehen. Aber wir wollen ja losgehen. Also nur ein Schritt. Gut, oder das auf den Kopf. Und genauso beginnt unser klarinettisches Stück. Das zweite Motiv ist derselbe Motiv, nur anders betont. Und der dritte Schritt ist das erste Motiv auf den Kopf gestellt. Und am Anfang haben wir zwei Noten. Und dann plötzlich haben Sie drei Noten. Jetzt wiederholen Sie das. So, das heißt am Anfang zwei Noten, zwei Noten, zwei Noten auf den Kopf gestellt und eine dritte Note kommt hinzu. So, nachdem ich so viel theoretisch gequatscht habe, hören wir uns das Ganze an. Und ich zähle die Noten. und Jodler. Ja, meine Damen und Herren, so haben Sie gemerkt, so arbeitet man in dieser abstrakten Welt des anderen Planeten. So arbeiten Musiker von einem kleinen Schritt hin zum nächsten. Man entwickelt immer den nächsten Schritt aus dem vorherigen. So arbeiten aber auch Maler, die zum Beispiel ein abstraktes Bild malen. Jede neue Form auf dem Bild, ob Quadrat oder Kreis oder was auch immer, ist aus dem vorherigen entnommen oder steht im Kontrast zu ihm, wird gespiegelt und so weiter. So baut also auch unser Aaron Copland hier eine Melodie. Was allerdings an diesem Beispiel bis jetzt klassisch war, war der Rhythmus, war die Metrik. Das war ein ganz langsamer Walzer, wenn Sie so wollen. Die können immer 1, 2, 3 – 1, 2, 3 zählen So, und das wird jetzt in der Mitte ein bisschen anders. In der Mitte befreit sich der Rhythmus. Wir haben keinen festen Dreierrhythmus, aber auch keinen festen Viererrhythmus. Wir haben etwas, was man eine musikalische Prosa nennt. Lyrik und Prosa, das wissen Sie. Auf der einen Seite haben Sie eine Sprache in Reimen. Das würde ich hier diese drei Rhythmus, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Und dann haben Sie eine Sprache ohne Reimen, einfach eine freie Sprache, so wie ich jetzt rede. Ich rede einfach mit Ihnen, ohne dass sich etwas reimt. Das nennt man Prosa. Und so eine musikalische Prosa haben Sie jetzt auch im Mittelteil. Sie können keinen festen Rhythmus finden. Was sie aber finden in den Streichern ist, dass es beginnt mit TADA. Also wieder mit der Sekunde, so beginnt der Prosa-Teil. Und hier in diesem Prosa-Teil, das ist ein Kommentar, was sie da hören. Und hier spricht eigentlich der Komponist mit ihnen selber. Also er kommentiert das, was sie gerade gehört haben. Er redet darüber, er gibt seinen Senf dazu. Und nachdem diese freie Prosa-Teil aufgehört hat, kommen wir wieder zu dem A-Teil, also wieder zu unserem Walzer, wieder zu musikalischer Lyrik. Also nicht musikalische Prosa, sondern musikalische Lyrik. Sie können immer schön bis drei zählen. So, jetzt haben wir aber gleich den freien, sprechenden Teil. Der Komponist redet mit Ihnen. So, jetzt hier löst sich das Metrum auf. Es löst sich auf. Gleich hören Sie: Ta-Da. Musikalische Prosa. Der Komponist redet. Hier können Sie kaum ein Metrum schlagen. Kein Dreier-Rhythmus. So, und wir finden wieder in den Walzer zurück. Damit sind wir wieder beim A-Teil. Ja, meine Damen und Herren, irgendwann geht diese schöne Satz zu Ende. Wie gesagt, in eine Solo-Kadenz. Und danach haben wir den zweiten Satz, den Schlusssatz. Der ist ein bisschen jazziger. Den können Sie sich aber alleine anhören. Ich habe Ihnen heute einen neuen Komponisten, einen amerikanischen Komponisten vorgestellt. Mit diesem wunderbaren Klarinettenkonzert, das so beliebt ist. Es ist eigentlich das zweitbeliebteste Klarinettenkonzert. Schlecht hin, das beliebteste ist ja das von Mozart. Aber dazu kommen wir irgendwann auch nochmal. Ich wünsche Ihnen erstmal einen wunderschönen Tag und bis zum nächsten Mal.
Voiceover
00:16:07
Der Klassikerklärer ist ein Podcast von RONDO, dem Klassik- und Jazzmagazin. Ihr wollt die Musik des heutigen Podcasts noch am Herganz und in Ruhe hören? Die Tracklinks dafür findet ihr in den Shownotes. Informationen zum Magazin und weitere spannende Themen aus der Welt von Klassik und Jazz gibt es auf rondomagazin.de. Idee und Moderation: Dariusz Szymanski. Ausführende Produzentin: Verena von der Goltz. Aufnahme und Postproduktion: Robert Niemeyer.

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